Chronik 40 - Schweinswale

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Chronik 40


CHRONIK XIII Beobachtungen und Meldungen 2017

Donnerstag den 24. Oktober 2017  per e-mail am Strand von Skagen:



Schöne Bilder, aber die Robben halten den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu den Menschen nicht ein!                                                                                             Fotos D. Preuß


Donnerstag den 24. 10. 2017 per e-mail vom LKN

Viele tote Kegelrobben in MV - Experten rätseln

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Die Kadaver sollen nun umfangreichen Untersuchungen unterzogen werden.


An der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns sind allein in den vergangenen Wochen 13 Tote Kegelrobben gefunden worden. Seit Jahresbeginn gab es demnach 33 Totfunde, wie das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund am Montag mitteilte. "In den 50 Jahren, in denen das Deutsche Meeresmuseum für die Bergung und Untersuchung der Totfunde von Meeressäugetieren in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich ist, wurden noch nie so viele Kegelrobben in einem Jahr an den Küsten gemeldet", sagte Michael Dähne, Kurator für Meeressäuger am Meeresmuseum.

Experte: "Besorgniserregende Häufung"

Dähne verwies darauf, das zwar auch die Bestände gestiegen seien, dennoch handele es sich bei der aktuellen Situation um eine "besorgniserregende Häufung". Denn zwischen 1991 und 2016 gab es im Vergleichszeitraum 19. September bis 19. Oktober durchschnittlich nur eine Totfundmeldung alle zwei Jahre. Die Rekordzahl der toten Robben gibt den Wissenschaftlern Rätsel auf. Die Todesursachen seien bislang unklar, Untersuchungen liefen, sagte Dähne.

Die meisten der toten Robben seien in den vergangenen Wochen rund um den Greifswalder Bodden entdeckt worden, so Dähne, nicht jedoch auf der Greifswalder Oie, wo sie sich auch häufig aufhielten. Der Zustand der Kadaver sei gut, bei früheren Funden waren die Meeressäuger laut Dähne häufig schon sehr verwest gewesen. Dass die Tiere durch die jüngsten Stürme verendet sein könnten, schloss Dähne aus. Gerade weil sie mit solchen Naturphänomenen gut zurechtkommen, hätten sich die Tiere an der deutschen Ostseeküste wieder ansiedeln können.

Umfangreiche Untersuchungen laufen

Die Tiere werden nun auf mögliche Viruserkrankungen, bakteriologische Infektionen, Vergiftungen sowie auf einen möglichen Befall durch Parasiten in Lunge, Leber und im Magen-Darm-Trakt untersucht. Außerdem würden die Kadaver auf Verletzungen durch den Menschen und die Mägen auf Plastikpartikel hin überprüft, so der Experte. Zudem würden genetische Untersuchungen vorgenommen. Auffällig sei, dass auch in Polen eine zumindest leichte Häufung von Totfunden zu beobachten sei, aus Dänemark und Schweden wurde laut Dähne dagegen nichts dergleichen gemeldet.

Rückkehr eines Raubtier

Bis vor rund 100 Jahren waren Robben nahezu vor der gesamten Küste des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns heimisch. Dann bereiteten vor allem Fischer den Tieren den Garaus. Sie fürchteten, dass die Meeressäuger die Fischbestände drastisch dezimieren. Die Politik spielte damals mit und zahlte fünf Reichsmark für jede getötete Robbe. Anfang der 1980er-Jahre war der Bestand in der Ostsee durch Bejagung und Schadstoffbelastung auf rund 5.000 Tiere geschrumpft.

Dennoch entgingen die mit einem Gewicht von bis zu 300 Kilogramm größten Raubtiere Deutschlands ihrer kompletten Ausrottung - der Bestand kletterte ostseeweit wieder auf rund 30.000 Tiere an. Vor einigen Jahren sind die Meeressäuger auch an die Küste Mecklenburg-Vorpommerns zurückgekehrt. 2015 wurde die Größe der hiesigen Population auf rund 60 Kegelrobben.  

Fotos Thyge Jensen am 22. Januar 2008 Langjord www.hvaler.dk


Montag den 23. 10. 2017  Pottwalstrandungen 2016  2  „ Sonnensturm trieb Wale in die Nordsee“ shz Schleswig-Holstein/Hamburg Seite 5

s.  Bericht vom 18. 10. 2ß17

Samstag den 21. Oktober 2017 per ECS-mail: Tilen GENOV, Tina CENTRIH, Andrew J. WRIGHT & Gi-Mick WU. 2017. Novel method for identifying individual cetaceans using facial features and symmetry: A test case using dolphins. Marine Mammal Science. DOI: 10.1111/mms.12451

Viele Delphine und Wale, die meist nur kurz an der Wasseroberfläche zu beobachten sind, weisen Merkmale an der Rückenfinne, Fluke oder am Rücken auf, die sie als Individuum kenntlich machen. Dies können spezielle Zeichnungen oder Körperfärbungen wie Melanismus oder Albinismus aber auch Narben sein, die manchmal ungewollt oder gewollt auch anthropogen verursacht sind z. B. durch Netzmarken oder „freeze branding“. Schon der  Philosoph und Naturwissenschaftler Aristoteles 384 – 322 v. Chr. berichtet in De historia animalium von Fischern der Antike, die entsprechende Markierungen bei einzelnen Delphinen zur Wiedererkennung und Altersbestimmung nutzten. Die heute übliche Methode der Fotoidentifikation ist eine sichere Methode mit geringer Irrtumswahrscheinlichkeit; jedoch ändern sich bei manchen Tieren  die  Markierungen im Lauf der Zeit – Narben verschwinden, oder Verletzungen treten neu hinzu. Hier könnte die in der Studie  beschriebene Methode eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Die Autoren beschreiben eine Art „Gesichts(wieder)erkennung“ bei Gr. Tümmlern Tursiops truncatus (Montagu, 1821)  im Golf von Triest,  die es ermöglicht, einzelne Tiere noch nach Jahren zu identifizieren. Dadurch kann man mehr über soziale Bindungen und Gruppendynamik der lokalen


Population erfahren mit Auswirkungen auf Maßnahmen zum Schutz der Tiere. Die  Wissenschaftler benutzen die Methode der Gesichtserkennung auch, um den Nachwuchs der Gr. Tümmler im nördlichen Teil der Adria nach der Stillphase den Müttern zuzuordnen, wenn die Rückenfinnen der Jugendlichen noch keine besonderen Merkmale aufweisen.

Bei einigen Arten wie z. B. den Glattdelphinen Lissodelphis borealis (Peale , 1848) oder L. peronii (Lacépède 1804) , die keine Finne besitzen, aber während  weiter Sprünge relativ lange außerhalb des Wassers zu beobachten sind, könnte ein Computerprogramm anhand entsprechender Fotos  einzelne Individuen identifizieren.


Mittwoch den 18. 10. 2017 Pottwalstrandungen 2016  1: Hamburger Abendblatt © Funke Mediengruppe HAMBURG & DER NORDEN Sonnenstürme schuld am Tod der Wale

Die  Massenstrandung von insgesamt 29(30) männlichen Pottwalen in den flachen Gewässern der Nordsee soll durch Sonnenstürme am 20./21. Dezember 2015 und am Jahreswechsel 2015/16 mit nachfolgender Änderung des Erdmagnetfeldes verursacht worden sein.

Foto A. Pfander

Die Pressemeldungen beziehen sich auf die folgende Veröffentlichung von Klaus Heinrich Vanselow1, Sven Jacobsen2, Chris Hall3 and Stefan Garth:

Solar storms may trigger sperm whale strandings: explanation approaches for multiple strandings in the North Sea in 2016

International Journal of Astrobiology, Page 1 of 9 doi:10.1017/S147355041700026X © Cambridge University Press 2017. This is an Open Access article, distributed under the terms of the Creative Commons Attribution licence (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/), which permits unrestricted re-use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original work is properly cited.

Die Autoren vertreten folgende Thesen:     

1. Eintägige Sonnenstürme können das Erdmagnetfeld kurzfristig um bis zu 460 km verschieben.    

2. Viele dieser Änderungen  entsprechen hinsichtlich ihrer Größe permanenten Unregelmäßigkeiten des Erdmagnetfeldes.     

3. Nördlich der Nordsee gibt es ein 50 bis 150 km durchmessendes Areal geomagnetischer Unregelmäßigkeit. 4. Pottwale können am Tag  bis zu 100 km schwimmen und sind nicht in der Lage zwischen beiden Phänomenen zu unterscheiden, da  sie  ihre ersten Lebensjahre in niedrigen Breiten verbringen, in denen solche Unregelmäßigkeiten des Erdmagnetfeldes ausgelöst durch Sonnenaktivitäten nur schwach sind. Entsprechend unerfahren und verwirrt reagieren sie auf Magnetfeld - Anomalien der südlichen norwegischen See und schwimmen in die flache Nordsee, weil sie sich viel weiter nördlich wähnen. So versäumen sie es rechtzeitig auf andere Möglichkeiten der Orientierung zurückzugreifen.

Übersichtskarte der Pottwalstrandungen   Aus Peter Evans (2016):   Largest Sperm  Whale Stranding Ever Recorded in the North Sea    Sea Watch Foundation



Zur Erinnerung (s. BEOBACHTUNGEN  und  MELDUNGEN   I/2016 VERSUCH  einer CHRONOLOGIE der POTTWALSTRANDUNGEN):

Am 11. Januar 2016 wird die erste Strandung von zwei Pottwalen  auf der ostfriesischen Insel  Wangerooge gemeldet und einen Tag später am Nachmittag des 12ten eine weitere mit fünf Tieren auf der westfriesischen Insel Texel. Am 14. Januar sind es bereits elf gestrandete Pottwale und so wird, da ein Zusammenhang offensichtlich ist, über mögliche Ursachen diskutiert. Neben anthropogenen Einflüssen wie die Lärmemissionen der Öl- und Gasindustrie in der nördlichen Nordsee werden auch natürliche Ursachen wie z. B. eine Strömungsänderung am Eingang der Nordsee durch  starke Stürme Anfang Januar 2016 in Betracht gezogen. Aber auch  der Einfluss von Sonnenaktivitäten auf das Erdmagnetfeld mit der Folge eines „falschen Abbiegens“ der Pottwale in die flache Nordsee wird  am 14. Januar in Zeitungsberichten thematisiert. Grundlage dieser Überlegungen sind die Veröffentlichungen von Vanselow und Ricklefs 2005, sowie Vanselow et al. 2009, die sich mit dem Zusammenhang von Pottwalstrandungen und der Änderung des Erdmagnetfeldes durch Sonnenaktivitäten auch im Abgleich mit historischen Daten beschäftigen. Es gibt aber auch die Ansicht, dass sich die  Strandungen von Pottwalen in der Nordsee - mit über 90 Ereignissen seit dem 19ten Jahrhundert - nicht auf eine einzige Ursache zurückführen lassen.
 
Durch das Institut für Aquatische und Terrestrische Wildtierbiologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Prof. Prof. hc. Ursula Siebert) Außenstelle Büsum  in Zusammenarbeit mit dem Institut Geomar der Universität Kiel wurden von insgesamt 13  an der Nordseeküste Schleswig – Holsteins gestrandeten, männlichen Pottwalen, 12 Individuen eingehend untersucht. Es fanden sich keine Zeichen einer Erkrankung, Unterernährung oder einer sonstigen Ursache für die Strandung der jugendlichen Individuen. Die Ohren waren intakt und in den Mägen fanden sich neben Resten von Müll  wie z. B. Netzteile, Plastikeimer, Armaturenbrett usw. zahlreiche Schnäbel überwiegend von Kopffüßlern der Art  Gonatus fabricii (Lichtenstein, 1818) und anderen Gonatus spp., ein Hinweis, dass die Pottwale in den Tagen vor der Strandung noch Nahrung zu sich genommen hatten.

Als Ursache wird nach dem  Stand der Untersuchungen am 15. Februar 2016 eine starke Strömung bedingt durch heftige Stürme am Eingang der Nordsee angenommen, außerdem eine stark angestiegene Wassertemperatur. So könnten die Pottwale bei der Verfolgung der Kopffüßler aus norwegischen Gewässern in die flache Nordsee abgedriftet  sein. Ähnlich  äußerte  sich schon 1937 der englische Zoologe Frederik Charles Fraser (1880 – 1963)  auf Seite 46 des REPORT ON CETACEA STRANDED ON THE BRITISH COASTS FROM 1933 TO 1937: „..it has been suggested that the occurence of Sperm Whales…..in January – February 1937 was associated with the invasion of cattlefish which happened at that time“. Santos et al. (1996) sehen einen Zusammenhang zwischen der Fortpflanzungszeit  von Gonatus fabricii zwischen Dezember und April  in der Norwegischen See und den gehäuften Strandungen in diesem Zeitraum. Die massenhaft auftretenden  sich paarenden Cephalopoden der Gattung Gonatus seien eine bevorzugte Beute von Pottwalen des NO Atlantiks.

Eine Zusammenfassung der Untersuchungen zur Ursache der Strandungen gibt die international renommierte Expertin Frau Professor Siebert in dem Film „Wale in Not“ von Thorsten Mehltretter der 2017 auf dem Green Screen Festival gezeigt wurde. Sie ist auch Mitautorin der Veröffentlichung von Schnitzler et al. 2017 : „Size and shape variations of the bony components of sperm whale cochleae“ in SCIENTIFIC REPORTS.

Foto eines geöffneten Pottwalmagens mit Schnäbeln von Gonatus spp.

Die Publikation kommt zu dem folgenden  Schluss,  die geometrischen Daten des Innenohren in Beziehung zu Körpermerkmalen legen es nahe, dass  die 13 an verschiedenen Stellen und verschiedenen Zeiten gestrandeten, jugendlichen Pottwale  wahrscheinlich unterschiedlichen Schulen angehört haben: „Our geometric data suggest that the sperm whales that stranded on German coasts came from distinct bachelor schools. Apparently, the cochleae are individually shaped, varying greatly in dimensions and that the intra-specific variation observed in the morphology of the cochleae may partially reflect their affiliation to their bachelor school. Future research might analyse the functional consequences of morphological variation of cochlear structures. There are increasing concerns about the impact of noise on cetaceans and describing the auditory periphery of odontocetes is a key conservation issue to further assess the effect of acoustic pollution.”

Eine ganz andere Auffassung vertritt Capt. David Williams www.deafwhale.com  über die Ursache der Pottwal – Strandungen 2016 in der Nordsee, wie er in einer e-mail sehr ausführlich darstellt. Zusammengefasst sind es folgende Argumente: Im mittelozeanischen Rücken des Nordatlantik gibt es  bis zu 1500 Seebeben jährlich. Laut Angaben der US – Marine führt ein Seebeben der Stärke 7,4 eine Druckänderung von 20000 kg/Quadratzentimeter und kann neben der Schädigung von Meeressäugetieren sogar Schiffe versenken. Für Pottwale und andere tieftauchende Zahnwale gäbe es laut Capt. Williams nichts Schlimmeres als in der Tiefe von den Druckwellen eines mittleren Seebebens überraschend getroffen zu werden. Dabei würden die luftgefüllten Schädelhöhlen verletzt, beim schnellen Aufstieg in Panik erlitten sie neben einer Caissonkrankheit mit Luftembolie ein zusätzliches Barotrauma des Gehörorgans; sie wären somit schon vor dem Erreichen der Nordsee „akustisch blind“ und damit orientierungslos. In 28 Punkten werden die für die Theorie wichtigen Punkte nochmals aufgezählt, so z. B. dass die Pottwale wegen der zerstörten Luftkammern des Schädels nicht tauchen und Nahrung aufnehmen konnten mit der Folge eines Flüssigkeitsverlustes oder Dehydratation, dass  gestrandeten Walen und Delphine keine äußerlichen Verletzungen aufweisen würden, und die äußerliche  Untersuchung durch „casual observers“ würde die Verletzung der luftgefüllten Kammern des Schädels und des Ohres durch das Trauma nicht aufdecken. Die Pottwale schwammen auch nicht von Norden sondern durch den englischen Kanal in die Nordsee entsprechend der ersten Strandung auf der Insel Texel.

Auch Thyge Jensen und Svend Tougaard erwähnen in ihrer Aufarbeitung der Pottwalstrandungen 1996/97 auf Romö , (13 kaskelothvaler på Rømø,16 kaskelot-hvaler på Rømø und Kaskalothvaler i Danmark - strandingsteorier)  den niederländischen Wissenschaftler der 1994 eine ähnliche These über die Route der Pottwale in die Nordsee vertreten haben soll. Eine Zusammenfassung  der dänischen Walstrandungen von Thyge Jensen findet sich auf www.hvaler.dk am Mandag d. 17. febr. 2014, kl. 14:18      „Kaskelothvaler ved Henne“  und unter: Om strandinger af kaskelothvaler kann eine PDF – Datei in Dänischer Sprache mit dem Titel „Kaskalothvaler i Danmark“ heruntergeladen werden mit einer ausführlichen Diskussion verschiedener Theorien zur Strandung von Zahnwalen insbesondere Pottwalen. Seebeben werden von den dänischen Wissenschaftlern allerdings nicht in Erwägung gezogen, dafür werden neben natürlichen Ursachen anthropogene Einflüsse durch seismische Exploration des Meeresbodens oder industrielle Aktivitäten eingehend diskutiert.


So interessant die mehr spekulativen Theorien von  Capt. David Williams und anderen  auch erscheinen mögen, die ev. auf andere Strandungsereignisse zutreffen könnten, so werden sie doch durch die gründliche und wissenschaftlich exakte Untersuchung von 12 Pottwal - Kadavern durch das ITAW der TiHo Hannover,  in Zusammenarbeit mit dem Institut GEOMAR Kiel und dem LKN Schleswig – Holstein ganz eindeutig widerlegt: Es fanden sich keine Verletzungen der Ohren und Luftkammern; außerdem wiesen die Pottwale keine Zeichen einer Mangelernährung oder Dehydratation auf und in den Mägen fanden sich Reste von Gonatus spp.(s. o. und Bericht über die Pottwalstrandungen vom März 2016).

Quelle www.hvaler.dk


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